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Alien-Rätsel: Ata, die Mini-Mumie aus der Wüste

Foto: Sirius Documentary

Bizarre Mumie Forscher lösen Alien-Rätsel der Atacama-Wüste

Wurde in der chilenischen Atacama-Wüste die Leiche eines Außerirdischen entdeckt? Zwei renommierte Wissenschaftler haben die bizarr geformte, nur 13 Zentimeter große Mumie jetzt untersucht. Das Ergebnis ist eine Enttäuschung für Alien-Gläubige - und schockierend für die Forscher.
Von Christoph Mann

Das Wesen wirkt, als sei es einem Science-Fiction-Film entsprungen. Der Schädel übergroß und extrem in die Länge gezogen, die riesigen Augenhöhlen schräg nach oben zeigend, die Gestalt schlank. Wie man sich einen Alien eben so vorstellt.

Doch die Mumie, die 2003 in einem Geisterdorf in der chilenischen Atacama-Wüste gefunden wurde, ist noch aus einem anderen Grund merkwürdig: Sie ist absurd winzig. Nur 13 Zentimeter misst sie in der Länge. Der kleinste Mensch der Welt, Chandra Bahadur Dangi, kommt auf 57 Zentimeter. Neugeborene messen üblicherweise 50, die kleinsten lebensfähigen Frühchen etwas mehr als 20 Zentimeter. Was also war Ata? Ein Außerirdischer oder ein bizarr missgebildeter menschlicher Fötus?

Nach dem Fund verschwand die Leiche zunächst. Sie wurde mehrfach verkauft und landete in Barcelona, wo sie bei einem Ufologen-Kongress Steven Greer in die Hände fiel. Der ehemalige Notarzt sucht nach einem Beweis dafür, dass Außerirdische auf der Erde gelandet sind. In Ata glaubte er ihn gefunden zu haben. Er verkündete, die Mumie wissenschaftlich untersuchen zu lassen und die Ergebnisse in seinem Dokumentarfilm "Sirius"  zu präsentieren. Um Forschung und Film zu finanzieren, sammelte er Spenden.

Greer trieb die Crowd-Finanzierung an, indem er verbreitete, die ersten Ergebnisse der Untersuchung - Röntgenbilder und Computertomografie-Aufnahmen - würden zeigen, dass Ata keine Fälschung sei, sondern ein humanoides Lebewesen mit allen relevanten Organen, womöglich ein Alien.

Jetzt sind die Ergebnisse der Untersuchung bekannt. Sie sind eine Enttäuschung für Alien-Gläubige - aber ein Faszinosum für Wissenschaftler.

Rätselhafte Fehlbildungen

Die beiden Forscher, die mit der Untersuchung beauftragt waren, sind keinesfalls Ufo-Jünger, sondern haben einen glänzenden Ruf zu verlieren. Gerry Nolan, Professor an der kalifornischen Elite-Universität Stanford, gilt als einer der renommiertesten Genforscher der Welt, seine Aufsätze gehören zu den meistzitierten seiner Disziplin. Ralph Lachman, ebenfalls Professor in Stanford, ist einer der führenden Experten für Skelettfehlbildungen.

"Offen gesagt will ich widerlegen, dass irgendetwas unüblich oder paranormal ist", sagte Nolan, bevor er mit seiner Arbeit begonnen hatte. "Ich würde gern beweisen, dass dies nur ein Mensch mit einer interessanten Mutation ist."

Das scheint nun gelungen zu sein. Zwar haben Nolan und Lachman ihre Ergebnisse bisher noch nicht in einem Fachblatt veröffentlicht. Doch Ata, da sind sie sicher, ist zweifellos ein Mensch - wenn auch ein äußerst rätselhafter.

Keine ihm bekannte "Klasse von Störungen oder Syndromen" könne die Merkwürdigkeiten der Mumie erklären, bilanziert Lachman in seinem Bericht  . Neben der extremen Zwergenwüchsigkeit lägen noch mehrere Deformationen im Kopfbereich vor. Außerdem habe Ata nur zehn Rippen, während Menschen gewöhnlich zwölf und selten elf haben.

"Schockierender" Befund

Den erstaunlichsten Befund - Nolan nennt ihn "schockierend" - machte Lachman jedoch, als er in einer Kniefuge Epiphysenkerne identifizierte. Das sind Knochenkerne, die sich erst im Lauf der Kindheit herausbilden. Demnach wäre der kugelschreiberkleine Mensch nicht etwa tot oder sterbend zur Welt gekommen, sondern sechs bis acht Jahre alt geworden.

Jürgen Spranger, Mitautor des wichtigsten Kompendiums für Skelettfehlbildungen, hat auf Anfrage die Röntgenaufnahmen der Mumie untersucht. Allerdings meldet er Zweifel ausgerechnet am Befund über Atas Lebensalter an. Zwar sprächen die in den Kniefugen gefundenen Epiphysenkerne dafür, dass Ata mehrere Jahre gelebt hat. Dafür aber fehlten diverse Verknöcherungen, etwa in den Händen sowie am Schambein, die bei einem Kind eigentlich vorhanden sein müssten.

Gemeinsam mit mehreren Fachleuten glaubt Spranger eine Erklärung gefunden zu haben: "Alle Experten sind der Meinung, dass es sich um einen Fötus in etwa der 24. Schwangerschaftswoche handelte." Wahrscheinlich habe der Fötus am sogenannten Wiedemann-Rautenstrauch-Syndrom gelitten.

Bei den vermeintlichen Epiphysen in Atas Knien handele es sich wahrscheinlich um Knocheninseln. Lachman habe außerdem eine dunkle, knochenfreie Zone in Atas Knie als Wachstumsfuge gedeutet. Seitliche Knochenbrücken zwischen dem Knochengewebe ober- und unterhalb des dunklen Spalts würden eine Wachstumsfuge aber ausschließen. Diese und andere Veränderungen an Atas Skelett "sind mit der Diagnose eines Wiedemann-Rautenstrauch-Syndroms vereinbar", so Spranger. Weltweit seien nur rund 25 Fälle bekannt.

Gen-Untersuchung bringt keine Erklärung

Die von Nolan durchgeführte genetische Untersuchung  brachte dagegen kein schlüssiges Ergebnis. Allerdings konnte Nolan nach eigenen Angaben belegen, dass es sich bei Ata um den Sohn einer Indiofrau aus der Atacama-Wüste gehandelt habe. Wann er lebte, konnte Nolan nicht bestimmen. Die Mumie sei aber mindestens 30 bis 40 Jahre alt. Der Forscher suchte in der DNA auch nach Mutationen, die die extreme Zwergenwüchsigkeit sowie die Deformationen verursacht haben könnten. Er entdeckte zwar einige Besonderheiten, aber keine überzeugende Erklärung für das Gesamtbild der Abnormalitäten.

Ata sei, insbesondere mit Blick auf die lange Lebensdauer, "ein interessantes medizinisches Rätsel eines unglücklichen Menschen mit einer Serie von Geburtsfehlern". In der Doku schließt der Genforscher mit der Bemerkung, die DNA könne die Fragen, die der Fall aufwirft, nicht beantworten. Aber er hoffe darauf, dass weitere Methoden das Phänomen erklären werden.

Den Machern der "Sirius"-Doku war das offenbar nicht genug. Da überrascht es kaum, dass die Ergebnisse der Untersuchungen maximal zehn bruchstückhaft verteilte Minuten im Film ausmachen. Die restlichen eineinhalb Stunden zeigen meist Greer, den muskelbepackten Ufologen: Greer redet vor begeistertem Publikum, schreitet durch ein Regierungsgebäude, trägt eine Pistole am Gürtel, beschwört mit Anhängern in der Wüste Außerirdische. Zwischendurch Generäle, Erdbeben, Kornkreise und eine altindische Kultur, die eine Atombombe gehabt haben soll. Und natürlich viele Ufo-Sichtungen.