Wasser oder WassER?

  • Hallo!


    Im Rahmen meines Studiums mache ich zurzeit Praxis in einer Volksschule 1. Klasse. Letzte Woche bemerkte ich, dass die Lehrerin die Kinder regelrecht kritisierte, als sie das Wort "Wasser" als "Wassa" aussprachen (Es ging um Sätze, die sie bilden und sagen sollten: Ich fülle meinen Becher mit Wasser"). Sie bestand darauf und wiederholte mit ihnen die Wörter "Vater, Mutter, Wetter" mit einer unnatürlichen - für mich komischen - Aussprache dieser Wörter, wo sie die Endung -er besonders stark und deutlich aussprach.


    Ich überlegte mir, warum sie wohl das so macht, und dachte, es ist wahrscheinlich als Vorarbeit für die Rechtschreibung, was jetzt noch nicht ein Thema ist, aber natürlich bald sein wird. Trotzdem fragte ich die Lehrerin im Anschluss, warum die Kinder die Wörter mit so einem deutlichen -er aussprechen mussten. Sie argumentierte das nicht mit der Rechtschreibung, sondern, dass es einfach so wäre - das Wort hat ein -er am Ende, und dieses -er soll auf Deutsch als solches ausgesprochen werden. Sie meinte, dass wir Erwachsene die Endung -er als -a aussprechen, sei einfach falsch.


    Ich denke ihr Argument stimmt nicht. Aber vielleicht liege ich da völlig falsch. Könnt ihr mir bitte sagen, wie ihr das im Unterricht macht?


    Danke im Voraus für eure Tipps!



    lg :)

  • Auch wenn die Lehrerin es nicht gesagt hat: Ich denke schon, dass es mit dem Schreiben zusammenhängt.
    Nicht nur direkt sondern auch indirekt.
    Die Aufgbe war es ja, Sätze zu bilden? Da kommt es dann eben auf ganz korrekte Sprache an.
    Man schreibt im Alltag anders als in der Schriftsprache. (Ich meine da nicht nur die Schludrigkeit in Foren und so. Sätze wie " Ich fuhr mit dem Rad..." benutz man im Alltag kaum.) Das gilt für das Sprechen eben auch.


    Und ohne Korrektor kommt dann beim Schreiben heraus:
    Isch föll mein Becha mit Wassa. Oder:
    öch fillmein Peach mit Wassa...

  • Ist für die Lehrerin mit Dialekt aufgewachsen und hat erst später Hochdeutsch gelernt? Es könnte sich bei der - im Deutschen fehlerhaften! - Aussprache /'vaser/ um eine Hyperkorrektur handeln, ein typisches Phänomen in der L2.


    Nele

  • Sie argumentierte das nicht mit der Rechtschreibung, sondern, dass es einfach so wäre - das Wort hat ein -er am Ende, und dieses -er soll auf Deutsch als solches ausgesprochen werden. Sie meinte, dass wir Erwachsene die Endung -er als -a aussprechen, sei einfach falsch.


    Ich denke ihr Argument stimmt nicht.


    Ihr Argument stimmt nicht. "-er" als Suffix wird als Schwa ausgesprochen. Und ich denke, so ein bisschen linguistisches Wissen kann auch im Primarbereich nicht schaden...


    Nele

  • Ja, das Lernziel war, richtige Sätze zu bilden - mit Fokus auf der richtigen Satzstruktur und der Wortschatzerweiterung.


    Dass es indirekt auch mit der Rechtschreibung zu tun hat, sehe ich völlig ein. Sätze wie "Ich spiel Gitarre." korrigiere ich auch sofort: "Ich spielE Gitarre." Aber mit der Endung -er bin ich mir nicht sicher, ob es richtig ist, die Aussprache "WassA" als falsch zu bezeichnen und die Endung so übertrieben auszusprechen. Es gibt ja im Deutschen Rechtschreib- und Ausspracheregeln. Die Rechtschreibregel besagt, dass "Wasser" mit -er zum Schluss geschrieben wird. Die Ausspracheregel dagegen besagt, dass die Endung -er als A ausgesprochen wird.


    Wenn es auf die Rechtschreibung ankommt, dann kann man doch sagen, dass wenn man ein A zum Schluss hört, wird es MEISTENS mit -er geschrieben, wie Z.B: Mutter, Vater... aber Achtung: Mama, Papa, Opa, Oma.. werden mit -a geschrieben.


    Wenn der Duden das als "a" ausspricht, dann verstehe ich nicht, warum ich das in der Schule anders - meiner Meinung nach sogar falsch - aussprechen soll.



    Die Lehrerin sagte, das sollte man eigentlich im Laufe der ganzen Grundschulzeit korrigieren und nicht ab und zu, sondern immer, wenn man das von den Kindern hört. Und dass das jede/r Grundschullehrer/in das so macht.


    Heißt das jetzt, dass ich bei der Leseübung die Schüler korrigieren soll, wenn sie "VatA" und nicht "VatER" lesen? (Das kommt mir so falsch vor!)


    Wäre es nicht natürlicher - und vor allem richtig - zu sagen, dass dieses Wort mit -er am Schluss geschrieben wird, und als -a ausgesprochen? (Die Kinder sind doch imstande das zu verstehen und sich nicht irritieren zu lassen, oder?)


    :gruss:

  • Man kann den Kindern doch sagen, dass es im Deutschen kaum Wörter gibt, die mit -a enden.
    Eine Freundin von mir (Grundschullehrerin) macht das so und dann gibt es kurz die Phase, wo es plötzlich auch "Oper" und "Omer" heißt, aber dann hat sich das auch eingependelt.


    Und wie gesagt, wenn es selbst im Duden so vorgesprochen wird, dann ist die Aussprache so.


    Wo sagt die Lehrerin denn zur Auslautverhärtung wie bei "König" (wo auch die Gesellschaft für deutsche Sprache sich zu geäußert hat)?

  • @ Nele: jetzt erst sehe ich deine Antwort. Es ist eigentlich so: die Lehrerin ist Nativ Speaker und ich L2. Trotzdem (oder deswegen?) konnte ich ihr Argument nicht wahr haben. Ich hab's ja anders gelernt :staun:

  • http://de.forvo.com/word/wasser/#de


    Forvo ist eine sehr schöne Plattform, wenn man die Aussprache von Worten in verschiedenen Sprachen durch Muttersprachler anhören will.


    Übrigens ist die Aussprache der Endung nicht "a". Sie ist /ə/! Buchstaben sind keine Laute, bzw. Grapheme sind keine Phoneme.


    Ich kann mir gut vorstellen, dass hier der Knackpunkt für den Fehler der Wiener Kollegin liegt. Wenn man über Sprache und Schrift nachdenkt, und vor allem, wenn man Schreiben und Lesen beibringen will, dann muss man sich den Unterschied zwischen dem Sprachlaut und Verschriftlichung klarmachen. Ein Buchstabe oder eine Buchstabengruppe kann völlig verschiedene Laute darstellen, genau so, wie ein Laut durch verschiedene Buchstabenkombinationen dargestellt werden kann. Der direkte Schluss <er> -> /er/ ist intuitiv aber falsch. Wenn aus vermeintlicher Genauigkeit Kindern von der Lehrerin etwas falsches beigebracht wird, hat man den Fall, dass Halbwissen mehr Schaden anrichten kann als Nutzen.


    Nele

  • Fazit der Wissensschlacht kann in jedem Fall sein, dass das -er in "Wasser" nicht e-r gesprochen wird - und das kann der Lehrkraft gesagt werden :)


    Es wäre schön, dazu auch eine Lehrkraft aus Österreich zu hören. Könnte es sein, dass "Hochdeutsche" das Problem, in einer Wiener Schule Schriftdeutsch zu vermitteln, unterschätzen?


    Ich höre gern Reinhard Fendrich und freue mich über die österreichischen Reime. Die würden bei uns hier nicht funktionieren.


    Gustav ans an Gustav zwa,
    mir moch’n heit a Razzia.


    oder hier (so höre ich das):


    Was scheiboa groß und wichtig woa
    Was kummt danach was war davoa

  • Die viel entscheidendere Frage muss für moderne Lehrer_innen doch sein, ob ein so wichtiges Gut heuzutage noch durch die Bezeichnung "WassER" die Hälfte der Menschheit ausschließen darf. Diskriminierung fängt mit der Sprache an, und das Sein bestimmt das Bewusstsein!




    Viele Grüße
    Fossi

    Die Mutter der Dummen ist immer schwanger.

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