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Thomas Mickeleit ist Director of Communications und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Deutschland
30.09.2014   News
"Content Marketing segelt unter falscher Flagge"
 
Kein Zweifel, Marketing steckt in einer tiefen Krise. Die "guten" Zeiten, als mit klassischer Werbung noch Dinge bewegt vulgo Käufer gewonnen wurden, sind vorbei. Marketiers, immer stolz wie Bolle, "im Gegensatz zur PR messbare Erfolge" abliefern zu können, werden schweigsam. Rückläufige Reichweiten traditioneller (Print)-Plattformen für Werbetreibende, fragmentierte Kanäle, andere Receptionsverhalten bescheren eine Sinnkrise. Online-Werbung, zunächst als die ganz große Nummer entdeckt, entpuppt sich als komplett wirkungslos, jedenfalls, wenn es um Klickraten geht. Es heißt, es sei 475 Mal wahrscheinlicher, einen Flugzeugabsturz zu überleben, als auf eine Bannerwerbung zu klicken.

Verbrannte Budgets

Nielsen-Daten von 2013 verweisen Sponsoring, Anzeigen in Print, Fernsehen und Hörfunk sowie Marken-Websites auf die hinteren Plätze, wenn es um Vertrauen geht, das Nutzer diesen Maßnahmen entgegenbringen. Hingegen setzen sich Empfehlungen von Bekannten mit 81% (absolut/durchaus vertrauenswürdig) an die Spitze des Rankings. Es ist also vor allem das späte Eingeständnis, dass die Beballerung der Opfer mit komplett sinnfreiem Marketing-Sprech, nicht funktioniert - selbst, wenn man zwei Drittel der Gesamt-Kommunikationsbudgets darauf verwendet. Milliarden verbrannte Euro klagen an. Das Scheitern ist die Geburtsstunde von "Content-Marketing".

Heilsbringer Content Marketing

Gute Kommunikation - auch aus dem Marketing - hatte immer schon mit guten Inhalten zu tun. Das Besondere ist, im Social Web treffen sich nun alle wieder. Jede Disziplin erkennt für sich den spezifischen Mehrwert. PR und Marketing sind mit eigener Agenda aus ihrer jeweiligen Perspektive unterwegs. Es lohnt sich also einen Blick darauf zu werfen, was die jeweiligen Ansätze sind und welcher Erfolg ihnen beschieden sein wird. Wenn es nach dem neuen Credo aus den Marketing-Abteilungen geht, dann soll jetzt "Echter" Content soll für mehr Kaufimpulse sorgen. Das Content Marketing Institute liefert eine Definition. Danach geht es verkürzt um die Kreation und Verteilung von relevanten Inhalten mit dem Ziel gewinnbringende Kundenreaktionen zu treiben.

Worum es tatsächlich gehen muss

Content Marketing nach diesem Verständnis segelt aber unter falscher Flagge. Das Vertrauen, das Nutzer im Social Web den Empfehlungen ihrer Freunde entgegenbringen, basiert auf dem Aufbau und der Pflege von langfristigen Beziehungen, auf Reputation, die man sich erarbeiten muss. Für Unternehmen ergeben sich damit ganz phantastische Möglichkeiten, wie unmittelbares Feedback zur Qualität von Produkten und Services zu erhalten, Ideen für neue Produkte zu gewinnen, aus Kunden wirkliche Fans zu machen u.v.m. Die Qualität solcher Beziehungen wird sich am Ende auch in mehr Umsatz und Gewinn für das Unternehmen niederschlagen. Im Social Web mit Kampagnen zu agieren, die auf kurzfristige Absatzsteigerungen ausgerichtet sind, wird genauso scheitern, wie Online-Banner in der Restevermarktung. Und weil sich Marketing für eine exakte Wissenschaft hält, misst man sehr genau. Seitdem sitzen in Indien und Kasachstan fleißige Menschen, die auf Like-Buttons drücken, um hiesige Kampagnen "erfolgreich" zu machen.

PR kann das

Die Kollegen im Marketing wissen sehr genau, dass es die Kernkompetenzen von PR sind, die im Social Web besonders punkten. Stichwort: Dialogfähigkeit. Der Rückkanal war schon immer etablierter Bestandteil der PR-Mechanik. Stichwort: Beziehungen. Die Pflege von Beziehungen gehen über das Senden von Marketing Botschaften weit hinaus. Stichwort: Nachhaltigkeit. Markenpflege und Imageaufbau sind mit Instrumenten der PR nachhaltiger steuerbar. Stichwort: Storytelling. Um guten Content erstellen zu können, muss man die Kunst des Storytellings beherrschen. PR kann jedenfalls für sich in Anspruch nehmen, der Einäugige unter den Blinden zu sein.

Aus Content Marketing wird nach dieser Diktion: Brand Journalism. Wo er konsequent stattfindet, wie etwa bei Coca Cola oder Red Bull setzt das neue Maßstäbe und erschließt neue Möglichkeiten für PR und Marketing. PR ist der Content King und gefordert, die Aktivitäten des Unternehmens im Social Web zu orchestrieren. An den Realitäten kommen wir nicht vorbei. Owned Social Channels werden von Marketing verantwortet. Ausnahmen, wie etwa bei Microsoft, bestätigen die Regel. PR kann aber die Themen und das Messaging setzen und Angebote unterbreiten, die die inhaltshungrigen Kanalverantwortlichen einfach gerne annehmen, weil er Mehrwert schafft.

Thomas Mickeleit ist Director of Communications und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Deutschland. Der Gastbeitrag basiert auf seinem Input für den Kommunikationskongress 2014.

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