WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Wirtschaft
  3. Steven Cohen: New York jagt den Hedgefonds-Paten der Wall Street

Wirtschaft Steven Cohen

New York jagt den Hedgefonds-Paten der Wall Street

Steven Cohen, der einflussreiche Pate der Wall Street Steven Cohen, der einflussreiche Pate der Wall Street
Steven Cohen, der einflussreiche Pate der Wall Street
Quelle: André Laame
Er führt eine der aggressivsten Finanzfirmen der Welt und hält sich die Wall Street mit üppigen Provisionen gefügig. Die Behörden glauben: Bei Steven Cohen geht nicht alles mit rechten Dingen zu.

Worum geht es

Es gibt die Legende, nach der Steven Cohen jahrelang jedes Foto aufkaufte, das von ihm geschossen wurde. Unbedingt wollte der Star-Investor verhindern, im Licht der Öffentlichkeit zu stehen.

Lange schien ihm das zu gelingen. In einem Porträt beschrieb ihn das US-Magazin „Business Week“ im Jahr 2000 als „mächtigsten Händler der Wall Street, von dem Sie niemals gehört haben“.

Mit der Privatheit ist es für Cohen seit einiger Zeit vorbei. Zwar existieren noch immer wenige Bilder von dem 56-jährigen Milliardär mit der Glatze und der kleinen Brille. Sein Name taucht dafür aber immer häufiger in Medien auf.

Cohen steht auf der Abschussliste der US-Börsenaufsicht und der New Yorker Staatsanwaltschaft. Seit sieben Jahren schon ermitteln die Behörden gegen den Gründer des Hedgefonds SAC Capital.

140 Vorladungen an Mitarbeiter, Partner und Kunden des Hedgefonds hat die SEC dazu verschickt und insgesamt zwei Millionen Seiten Dokumente gesammelt. Noch immer reicht die Mühe nicht für eine Anklage. Doch die Luft wird dünner für Steven Cohen.

Investoren verlieren die Geduld

Zwar konnten die Behörden den Mann noch nicht überführen. Seine Investoren verlieren jedoch die Geduld mit ihm. Wie in dieser Woche mehrere US-Medien berichteten, verlangten Geldgeber im vergangenen Halbjahr umgerechnet 3,8 Milliarden Euro von SAC zurück. Stimmen die Zahlen, hätte SAC innerhalb von sechs Monaten mehr als die Hälfte seiner Kundeneinlagen verloren.

Vor der Kapitalflucht der vergangenen Monate gehörte SAC mit einem verwalteten Vermögen von 10,6 Milliarden Euro zu den erfolgreichsten Hedgefonds der Wall Street. Das Geld wird dem Finanzinvestor deswegen allerdings nicht so bald ausgehen. Ein Großteil des SAC-Kapitals gehört ohnehin Cohen selbst.

Mit einem geschätzten Vermögen von sieben Milliarden Euro steht Cohen auf Platz 40 der reichsten Amerikaner. Der Börsenguru hat in den vergangenen 25 Jahren also mehr Geld verdient, als man in einem Menschenleben ausgeben kann.

Wobei er sich redlich bemüht: Seine Villa mit 30 Zimmern in einem New Yorker Vorort verfügt angeblich über eine Eislaufbahn, einen Basketballplatz und einen kleinen Golfplatz. Cohens Kunstsammlung gehört zu den teuersten Privatkollektionen der Welt. In seinem Haus findet sich Francis Bacon neben Picasso, Edvard Munch und Jeff Koons.

Anzeige

Trotz allem Reichtum wird die Lage nun ernst für den Mann, den sowohl Feinde als auch Bewunderer für den besten Börsenhändler der heutigen Zeit halten. Seit der Gründung 1992 fuhr SAC durchschnittlich 30 Prozent Rendite jährlich ein. Die New Yorker Staatsanwaltschaft ist der Meinung, bei diesen exorbitanten Ergebnissen könne es schlicht nicht mit rechten Dingen zugehen.

Cohen dagegen beschreibt sich als Opfer der Behörden. Er fühle sich wie „Don Quixote im Kampf gegen die Windmühlen“, sagte er 2010 in einem Interview. Seine enormen Gewinne seien das Ergebnis harter Arbeit, sonst nichts.

Eine der aggressivsten Finanzfimen der Welt

Cohens Hedgefonds ist als eine der aggressivsten Finanzfirmen der Wall Street bekannt. Wer im Handelsraum von SAC überleben will, muss außerordentlich clever, ehrgeizig und stressresistent sein. Cohen rekrutiert mit Vorliebe Doktoranden von Eliteuniversitäten wie Harvard und Stanford.

Ihre Gehälter sind horrend, im Gegenzug sind die Händler einem gnadenlosen Konkurrenzkampf ausgesetzt. In den 90er-Jahren engagierte Cohen sogar einen Psychiater, damit die Mitarbeiter unter dem Erfolgsdruck nicht kollabierten.

Relativ unumstritten ist, worin das Erfolgsgeheimnis von SAC besteht. Wie kein zweiter Hedgefonds schafft es die Firma, große Mengen von Informationen zu sammeln und für ihre Anlageentscheidungen auszuwerten. Dabei hilft SAC, dass die Firma als einer der ganz wenigen Fonds an der Wall Street ihre Transaktionen noch von Banken und anderen Finanzfirmen abwickeln lässt. Statt Computer arbeiten zu lassen, überweist SAC für jeden Ankauf und Verkauf von Aktien freiwillig Provisionen.

Mit rund 300 Millionen Euro pro Jahr ist SAC der bei Weitem größte Gebührenzahler der Wall Street. Weil damit fast jeder in der Branche von Cohen finanziell abhängig ist, hat er in den Straßen des Financial Districts einen zwielichtigen Spitznamen: „Godfather“ nennen sie ihn, den Paten.

Der kolportierte Verdacht ist, dass die Geschäftspartner von SAC im Gegenzug großzügig den ein oder anderen Tipp geben, um sich erkenntlich zu zeigen.

Genialer Händler?

Anzeige

Die große Frage ist nun, ob es sich bei diesen Gefälligkeiten um illegale Informationen handelt und ob Cohen davon weiß. Freunde sagen: Nein; Cohen sei einfach ein genialer Händler, der schon als Teenager beim Pokern jede Nacht 500 Dollar gewonnen habe. Die New Yorker Staatsanwaltschaft aber glaubt nicht an Wunderkinder. In den vergangenen Monaten nahm sie neun aktuelle oder ehemalige SAC-Mitarbeiter wegen Insiderhandels fest – sechs davon haben Geständnisse abgelegt.

Im März sah es kurz so aus, als könne Cohen sich freikaufen. SAC einigte sich wegen der Verfehlungen seiner Mitarbeiter mit der Börsenaufsicht auf einen außergerichtlichen Vergleich und zahlte 470 Millionen Euro Strafe.

Für die Ermittler offenbar nur ein Etappensieg: Angeblich prüft die Staatsanwaltschaft nun, SAC als „kriminelle Vereinigung“ anzuklagen. Grundlage ist das sogenannte Rico-Gesetz, das sonst gegen Mafiosi und Drogengangs zum Einsatz kommt.

Viele an der Wall Street glauben, die New Yorker Staatsanwaltschaft werde erst Ruhe geben, wenn Cohen überführt ist. „Wenn Steven Cohen davonkommt“, zitierte die amerikanische Zeitschrift „Vanity Fair“ vor einigen Wochen einen anonymen Börsenhändler, „wird er der O.J. Simpson des Insiderhandels sein.“

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema