Ramlinsburg
Syrischer Flüchtling: «Ich denke kaum über die Zukunft nach»

Ein syrischer Familienvater erzählt, was ihn in die «Station Lampenberg» nach Ramlinsburg geführt hat und was er von der Zukunft erwartet.

Julia Gohl aufgezeichnet
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Seit sechs Wochen leben sieben syrische Familien in Ramlinsburg.

Seit sechs Wochen leben sieben syrische Familien in Ramlinsburg.

Juri Junkov

«Wir haben in Syrien ein schönes Leben geführt. Ich habe als Kunstschreiner gearbeitet und auch Leute ausgebildet. Dann kamen der Krieg und die Revolution. Der Betrieb, in dem ich gearbeitet habe, wurde durch Bomben komplett zerstört. Wir standen von heute auf morgen vor dem Nichts und hatten Angst um unser Leben. Unsere Kinder hatten gesundheitliche Probleme und wir nicht die Mittel, um sie zu versorgen. Also flüchteten wir in den Libanon.

Unser Erspartes war komplett aufgebraucht. Deshalb war es für uns im Libanon sehr schwer. Wir konnten unsere Kinder nicht einmal zum Arzt bringen. Die finanzielle Unterstützung, die wir dort als Flüchtlinge erhalten haben, hat hinten und vorne nicht gereicht. Nach rund drei Jahren im Libanon hat uns dann die UNHCR angefragt, ob wir in ein sicheres Land übersiedeln wollen, und wir haben eingewilligt. Schliesslich reiste eine Schweizer Delegation an, die mit uns Interviews geführt und das Leben in der Schweiz erklärt hat.

Wir danken der Schweiz von Herzen dafür, dass sie uns diese Chance gibt. Wir merkten aber schnell, dass mit der Ankunft hier nicht alle Probleme gelöst sind. Am meisten macht uns zu schaffen, dass wir uns hier in Ramlinsburg so isoliert fühlen. Es gibt um uns herum nur Natur, die Reise mit einem Zug für die ganze Familie ist teuer und wir haben keine anderen Transportmittel. Die Kinder können sich hier nicht richtig austoben, was zu Auseinandersetzungen mit den anderen Bewohnern führt. Auch bei den Erwachsenen gibt es viel Konfliktpotenzial, weil hier sehr unterschiedliche Menschen aufeinandertreffen. Diese Dynamik macht mir manchmal Sorgen.

Auch die gesundheitlichen Probleme meiner Kinder bestehen weiter. Unser Coach hat früh gemerkt, dass mit unserer jüngsten Tochter etwas nicht stimmt. Sie ist fast neun Monate alt, sieht aber aus wie ein dreimonatiges Baby. Sie kam schnell in stationäre Behandlung, wofür wir sehr dankbar sind. Es gab im Libanon Ärzte, die uns freiwillig helfen wollten, aber offenbar haben sie falsche Medikamente für unsere Tochter ausgesucht. Das habe die Wachstumsstörungen verursacht, sagen die Ärzte in Basel. Sie wird nun aber weiter behandelt und sollte in einem Jahr wieder gesund sein.

Wir fühlen uns von unserem Coach sehr gut verstanden. Sie gibt sich viel Mühe, damit wir uns wohlfühlen. Aber mir ist eben auch klar, dass ihre Kompetenzen begrenzt sind und sie uns nicht jeden Wunsch erfüllen kann.

Auch das Leben in der Schweiz hat eben Vor- und Nachteile. Ich hoffe natürlich, dass in Zukunft nur noch die Vorteile bleiben. Aber ehrlich gesagt denke ich kaum über die Zukunft nach, weil mir nicht klar ist, wie es weitergehen soll. Für mich ist das in Ordnung, ich habe mein Leben ja fast schon gelebt. Aber meine Kinder sollen trotz der schlimmen Erlebnisse einmal nicht so leiden müssen wie wir. Wir möchten uns integrieren und ihnen eine gute Zukunft ermöglichen. Ich hoffe, sie können sich einmal produktiv an der Gesellschaft beteiligen und diesem Land, das uns in der Not aufgenommen hat, so auch etwas zurückgeben.»