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Schule und Internet Lehrer ohne Anschluss

Dienstliche E-Mail-Adressen oder mal ein interaktives Whiteboard - von einer zeitgemäßen Ausstattung träumen viele Lehrer in der Bundesrepublik. In deutschen Klassenzimmern wird immer noch offline gelernt, offenbart eine neue Umfrage.
Lehrer und Schüler in Berlin (Archiv): Oft schlecht ausgestattet

Lehrer und Schüler in Berlin (Archiv): Oft schlecht ausgestattet

Foto: Oliver Mehlis/ picture alliance / dpa

"Die 2b hat so eine Tafel, auf der man sehen kann, was auf dem Computer ist. Warum haben wir so etwas nicht?", fragte ein Siebenjähriger in Hamburg. In seiner Schule hat nur jeweils eine Klasse eines Jahrgangs ein digitales Whiteboard zur Verfügung. Die drei Parallelklassen dürfen das Board manchmal benutzen - wenn es gerade passt.

Diesen Zustand findet ein Zweitklässler ungerecht. Er weiß nicht, dass diese Ausstattung im bundesweiten Vergleich sogar luxuriös ist: Nur 19 Prozent der Grundschulen nutzen regelmäßig digitales Unterrichtsmaterial, 20 Prozent gar nicht. Nur sechs Prozent der Grundschulen verfügen über einen Klassensatz an Tablet-Computern, bei den weiterführenden Schulen sind es elf Prozent.

Deutsche Schulen sind weit davon entfernt, dass der PC zum Arbeitsgerät für Schüler zählt, und auch Lehrer können nur selten mit ihnen arbeiten. Das ist das Ergebnis einer Forsa-Umfrage im Auftrag des Lehrerverbands VBE, deren Ergebnisse am Mittwoch vorgestellt werden und die SPIEGEL ONLINE vorliegt. Zwar nutzen die meisten Lehrer Computer und Internet, doch das ist auf ihre persönliche Initiative zurückzuführen. Eine zeitgemäße Ausstattung, dienstliche E-Mail-Adressen oder eine Möglichkeit zur Fortbildung - an den meisten Schulen herrscht hier Fehlanzeige.

In den schwarz-roten Koalitionsverhandlungen vor einem Jahr hatte eine Unterarbeitsgruppe "Digitale Agenda" noch ein Tablet für jeden Schüler gefordert. Die 500 Millionen Euro teure Idee schaffte es aber nicht in den Koalitionsvertrag, weil die Finanzierung über private Partner nicht sichergestellt werden konnte. Die meisten Klassenzimmer sind immer noch offline. Medienbildung ist oft nur möglich, wenn Sponsoren einspringen.

In der Umfrage wurden 751 Lehrer nach der IT-Ausstattung an ihrer Schule und zur Nutzung digitaler Medien im Unterricht befragt. Die Mehrheit der Lehrer (72 Prozent) gab an, dass es an ihrer Schule einen schnellen Internetanschluss gebe, an Grundschulen allerdings deutlich seltener. 77 Prozent der Lehrer steht zur Unterrichtsvorbereitung ein Computer zur Verfügung, meist steht dieser im Lehrerzimmer. Jeder fünfte Lehrer (22 Prozent) kann in der Schule gar keinen Computer benutzen. Gut schneiden dabei die Berufsschulen ab: 81 Prozent verfügen über schnelles Internet, fast ebenso viele haben einen dienstlichen Computer (79 Prozent).

Auch nach geschützten dienstlichen E-Mail-Accounts wurde gefragt. Nur gut die Hälfte der Lehrer hat eine solche Adresse, 41 Prozent der Lehrer müssen über kommerzielle Anbieter E-Mails schreiben. Sogar ein Viertel der Schulleiter hat keine dienstliche Adresse. Weniger als die Hälfte der Lehrer (42 Prozent) kann eine geschützte Online-Lernplattform für Unterricht, Hausaufgaben oder Elternkontakt nutzen. Jedes zweite Gymnasium nutzt diese Möglichkeit, allerdings nur etwa jede dritte Grundschule.

Die Ausstattung mit digitalem Unterrichtsmaterial ist schlecht oder sehr punktuell. Elf Prozent der Lehrer nutzen diese Möglichkeiten daher gar nicht im Unterricht, an Grundschulen verzichten 20 Prozent darauf. Die Hälfte der Lehrer wirft gelegentlich den Beamer an oder darf das interaktive Whiteboard der Parallelklasse benutzen. Nur gut ein Drittel (38 Prozent) der Lehrer nutzt Computer und andere digitale Geräte regelmäßig, davon beziehen 88 Prozent auch das Internet in den Schulunterricht mit ein.

Dass Computer und Internet in Schulen noch nicht alltäglich sind, liegt an der mangelhaften Ausstattung der meisten Schulen. Es liegt aber auch daran, dass Lehrer sich die dafür erforderlichen Kenntnisse selbst aneignen müssen. Nur zwölf Prozent der Lehrer haben in ihrer Ausbildung gelernt, wie sie diese Mittel einsetzen können. Ein Drittel der Lehrer hat immerhin eine Fortbildung in diesem Bereich mitgemacht, die meisten Lehrer aber arbeiten sich privat in diese Themenfelder ein (89 Prozent).

Vom Traum der "Digitalen Agenda", jedem Schüler ein mobiles Endgerät zu stellen, ist die Wirklichkeit noch sehr weit entfernt. Nicht mal jeder Lehrer hat ein stationäres Endgerät zur Verfügung. Eine digitale Ausstattung der Schüler fände auch nur die Hälfte sinnvoll: 48 Prozent der Lehrer halten Tablets im Unterricht für eher überflüssig.

Der Lehrerverband bemängelt an den Ergebnissen seiner Umfrage vor allem, dass viele Lehrer noch keine geschützte dienstliche E-Mail-Adresse zur Verfügung haben. "Ein fahrlässiger Umgang mit Daten", nennt das der VBE-Bundesvorsitzende Udo Beckmann, "gerade die Grundschulen werden abgehängt."

In der 2c in Hamburg wird sehr viel über E-Mails kommuniziert, die Klassenlehrerin schreibt oft noch spät abends von einer privaten Adresse. Alle Eltern finden das erfreulich. Der Account wurde gleich im ersten Schuljahr gehackt. Telefonkette und Ranzenpost sind trotzdem keine Option mehr.

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