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Gauck bei der Bundeswehr: Klare Worte in der Kaderschmiede

Foto: Christian Charisius/ dpa

Bundespräsident Gauck wirbt für Auslandseinsätze der Bundeswehr

Joachim Gauck fordert von den Deutschen mehr Offenheit für Auslandseinsätze der Bundeswehr - und bemängelt eine gewisse Distanz der Bürger zu den Streitkräften: "Dass es wieder deutsche Gefallene gibt, ist für unsere glücksüchtige Gesellschaft schwer zu ertragen", sagt der Bundespräsident.

Hamburg - Joachim Gauck ist erst seit wenigen Wochen im Amt, aber der 72-Jährige macht zunehmend deutlich, dass er als Bundespräsident klare Botschaften senden möchte - jetzt hat das Staatsoberhaupt deutliche Worte zum Thema Bundeswehr gewählt: Gauck hat die Deutschen zu größerer Offenheit für Auslandseinsätze der Bundeswehr aufgerufen und zugleich eine gewisse Ignoranz der Bürger gegenüber den Streitkräften bemängelt.

Er stelle in der Bevölkerung auch eine Tendenz zum "Nicht-Wissen-Wollen" fest, kritisierte Gauck bei einem Besuch der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg. Es sei zwar menschlich, nicht mit Leid und Terror behelligt werden zu wollen, sagte Gauck. "Und dass es wieder deutsche Gefallene gibt, ist für unsere glücksüchtige Gesellschaft schwer zu ertragen." Aber: "'Ohne uns' als purer Reflex kann keine Haltung sein, wenn wir unsere Geschichte ernst nehmen", mahnte der Präsident.

Nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters wich Gauck in seiner Rede an mehreren Stellen von seinem Manuskript ab - so findet sich unter anderem auch die Passage zur "glücksüchtigen Gesellschaft" nicht im Redemanuskript.

Die Abscheu gegen Gewalt sei zwar verständlich, und Gewalt werde immer ein Übel bleiben, sagte Gauck in Hamburg. "Aber sie kann - solange wir in der Welt leben, in der wir leben (...) - notwendig und sinnvoll sein, um ihrerseits Gewalt zu überwinden oder zu unterbinden", betonte Gauck. Gerade Deutschland wisse, dass Frieden, Freiheit und die Achtung der Menschenrechte vielfach nicht von allein entstünden. "Freiheit ist ohne Verantwortung nicht zu haben, sie entbehrt auch ihres Wertes und ihrer Würde ohne diesen Begriff", sagte der Präsident. Dies sei für Soldaten selbstverständlich, nicht aber in der Gesellschaft.

"Freiheit und Wohlergehen sehen viele als Bringschuld der Demokratie und des Staates", kritisierte Gauck. "Manche verwechseln Freiheit mit Gedankenlosigkeit, Gleichgültigkeit und Hedonismus." Eine funktionierende Demokratie erfordere aber auch Einsatz, Aufmerksamkeit, Mut "und eben manchmal auch das Äußerste, was ein Mensch geben kann: das Leben, das eigene Leben".

Im Gegenzug habe die Truppe einen Anspruch darauf, dass die Gesellschaft sich bewusst mache, was den Soldaten abverlangt werde und vor welche Aufgaben sie in Zukunft gestellt würden. "All das darf nicht allein in Führungsstäben und auch nicht allein im Parlament debattiert werden", forderte Gauck. "Es muss da debattiert werden, wo unsere Streitkräfte ihren Ort haben: in der Mitte unserer Gesellschaft." Derzeit aber sei die Bundeswehr im öffentlichen Bewusstsein nicht sehr präsent, und über ihre Einsätze werde nicht ausreichend in der Gesellschaft diskutiert.

"Diese Bundeswehr ist eine Stütze unserer Freiheit"

Gauck, der in der DDR als Bürgerrechtler aktiv war, würdigte die Bundeswehr als Parlamentsarmee im Gegensatz zur NVA, die eine unmenschliche Grenze gegen das eigene Volk militärisch abgesichert habe. "Diese Bundeswehr ist keine Begrenzung der Freiheit, sondern eine Stütze unserer Freiheit", betonte Gauck. Die Bundeswehr habe sich von unseligen militärischen Traditionen gelöst und sei heute fest verankert in einer lebendigen Demokratie. "Sie hat unser Zutrauen verdient", erklärte Gauck.

Gauck war in der Hansestadt von Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) und einer Ehrenformation des Wachbataillons in der Führungsakademie der Bundeswehr begrüßt worden. Der langjährige Pastor, der am 18. März zum neuen Bundespräsidenten gewählt wurde, hat damit in seiner erst seit wenigen Wochen währenden Amtszeit bereits zwei strittige Themen angesprochen. Zuletzt hatte sich Gauck von der Islam-Rede seines Vorgängers Christian Wulff distanziert. Er könne Wulffs Satz, der Islam gehöre zu Deutschland, so nicht übernehmen, nehme aber "seine Intention" an, hatte Gauck Ende Mai in einem Interview mit der "Zeit" gesagt. Wulff habe die Bürger auffordern wollen, sich der Wirklichkeit zu öffnen. "Und die Wirklichkeit ist, dass in diesem Lande viele Muslime leben. (...) Ich hätte einfach gesagt, die Muslime, die hier leben, gehören zu Deutschland."

Grünen-Chef Cem Özdemir hatte damals Gaucks Islam-Äußerungen kritisiert. "Wenn der Bundespräsident erklärt, dass Muslime, die hier leben, zu Deutschland gehören, dann gehört natürlich auch ihr Islam zu Deutschland", hatte Özdemir betont. Beim Koordinierungsrat der Muslime in Deutschland stieß Gauck damals ebenfalls auf Unverständnis.

Auch seine Äußerungen zu den Auslandseinsätzen der Bundeswehr dürften bei den Bürgern nicht unumstritten sein. So plädierte die Mehrheit der Deutschen in Umfragen zuletzt für einen schnelleren Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan.

hen/Reuters/dpa
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