In der Telefonwarteschleife ist Air Berlin noch eine weltumspannende Fluglinie. "From Kilimanjaro to Lady Liberty, from the Amazon Forest to the Islands of Greece", schallt es immer wieder den Kunden ins Ohr, die Air Berlins Hotline anrufen und mal wieder nicht durchkommen.

Nach Afrika aber fliegt Deutschlands zweitgrößte Fluggesellschaft schon lange nicht mehr und mit Griechenland ist es bald auch vorbei. Denn Air Berlin schrumpft. Mal wieder. Diesmal aber radikaler denn je. Die Hälfte ihrer Flotte und mehr als drei Viertel aller Routen gibt die Airline auf, bis zu 1.200 Mitarbeiter verlieren ihre Stelle. Und wie überschreibt der Konzern seine offizielle Erklärung zum Desaster? "Umfassende Neuausrichtung von Air Berlin ermöglicht langfristiges Wachstum."

"Was haben die in der PR-Abteilung bei Air Berlin geraucht?", fragt ein Twitter-Nutzer, zu Recht. Man braucht eine Menge Fantasie, um sich dieses Unternehmen als dynamisch oder gar profitabel auszumalen. Sieben der vergangenen acht Jahre hat die Air Berlin mit Verlust abgeschlossen. 2015 hat sie mehr als 1,2 Millionen Euro verbrannt – pro Tag.

Abschied vom Überall-dabei-Geschäftsmodell

Trotzdem schwelgt an diesem Donnerstag der Konzernchef Stefan Pichler in Optimismus. "Bestmögliche Zukunftsperspektiven" sagt er seiner "neuen Air Berlin" voraus und verspricht den gebeutelten Aktionären schon für 2018 Gewinne. Denn nun bekomme die Linie "endlich die richtige Größe und die richtige Struktur". So was in der Art haben Air-Berlin-Verantwortliche schon oft verbreitet. Es wäre allen zu wünschen, dass es diesmal stimmt.

Pichler gelobt den Abschied von Air Berlins Überall-dabei-Geschäftsmodell. Dieses hat die Linie fast ruiniert. Angefangen hatte Air Berlin einst als Ferienflieger, dann drückten ihr wechselnde Chefs und Eigentümer immer neue Strategien auf. Langstrecke, Kurzstrecke, Mittelstrecke. Premiumanbieter, Billigflieger, irgendwas dazwischen. Innerdeutsch, Mallorca, Europa, Asien, Nordamerika, Afrika, Karibik, Nahost. Überall mischte Air Berlin bisweilen mit, meistens nur ein wenig. Ergebnis: Kaum ein Kunde weiß noch, wofür diese Marke steht, von wo nach wo Air Berlin wann, wie oft und mit welchem Service fliegt.

Mit der nun beschlossenen "fokussierten Plattformstrategie" soll alles anders werden, gelobt Pichler. Doch wofür steht die neue Air Berlin jetzt? Innerdeutsch will sie weiterfliegen, offenbar vor allem zu den Drehkreuzen Berlin und Düsseldorf. Zu europäischen Zielen auch – etwa nach Paris, Rom oder Kopenhagen, nicht aber nach London, Madrid oder Stockholm. Und interkontinental ebenfalls: in die USA und nach Abu Dhabi, nicht mehr aber nach Havanna (diese Route hatte Air Berlin erst kürzlich aufgenommen). Das klingt schon wieder nach einem bisschen von allem. Und: kaum weniger komplex als bislang.

Nebulös ist auch, wie sich Air Berlin positionieren will. Pichler selbst verwendet gerne das Wort "Premium". Gleichzeitig kündigt er drastische Einsparungen an; seit einigen Tagen bittet Air Berlin innereuropäische Economy-Passagiere für jeden Pappbecher Kaffee zur Kasse. Und Kunden, die nach langen Verspätungen oder Flugausfällen um die vom Gesetz vorgesehen Entschädigungszahlungen bitten, landen ständig im Hotline-Nirwana und müssen oft am Ende das ihnen zustehende Geld bei Gericht einklagen. Wie passt das zu Pichlers Anspruch?