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Klagen gegen Rettungsschirm Euro-Kritiker hoffen auf Veto der Verfassungsrichter

Die Kanzlerin hat sich durchgesetzt, Bundestag und Bundesrat haben den Euro-Rettungsschirm ESM abgesegnet. Doch die Gegner von Angela Merkel geben nicht auf. Sie wollen die Milliardenhilfen nun vom Bundesverfassungsgericht stoppen lassen. Nicht alle sind von einem Erfolg überzeugt.

Berlin/Karlsruhe - Die Euro-Kritiker hatten keine Zeit zu verlieren. Unmittelbar nach der Abstimmung über den europäischen Fiskalpakt und den Euro-Rettungsfonds ESM im Bundestag faxte die Fraktion der Linkspartei ihre Klage zum Bundesverfassungsgericht. Der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler schickte sogar um Mitternacht einen Boten, der seine Verfassungsbeschwerde an der Pforte des Gerichts abgab. Insgesamt sind fünf Klagen angekündigt, eine davon kommt vom Verein "Mehr Demokratie" um die frühere Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD).

Das Ziel der Kläger: Sie wollen die Gesetze zum Fiskalpakt und zum europäischen Rettungsschirm ESM stoppen. Gauweiler sagte, beide Verträge würden "in schwerwiegender Weise gegen das Demokratieprinzip verstoßen". Däubler-Gmelin begründete ihre Klage damit, Deutschland gebe "unwiederbringlich Haushaltskompetenzen und Souveränitätsrechte" ab. Dadurch werde das Wahlrecht des Bundestags entwertet.

Am Freitagabend hatten Bundestag und Bundesrat den Gesetzen jeweils mit Zweidrittelmehrheit zugestimmt. Im Bundestag votierten nur die gesamte Linksfraktion und einzelne Abgeordnete anderer Fraktionen - auch von Union und FDP - mit Nein. Bei der Abstimmung verfehlte die schwarz-gelbe Koalition allerdings die Kanzlermehrheit. Im Bundesrat stimmten 15 von 16 Bundesländern für die Verträge, nur das von SPD und Linken regierte Brandenburg war nicht dafür.

Der ESM soll im Juli in Kraft treten und den bisherigen Rettungsfonds EFSF ablösen. Mit dem dauerhaften Krisenmechanismus soll Mitgliedsländern der Euro-Zone geholfen werden, die Schwierigkeiten haben, sich am Finanzmarkt frisches Geld zu leihen - etwa wenn die Zinsen für Staatsanleihen zu hoch sind, um sie dauerhaft zahlen zu können. Der ESM kann bis zu 500 Milliarden Euro verleihen.

Umstrittene Zugeständnisse an Krisenländer

Das Bundesverfassungsgericht muss nun über die Eilanträge der Euro-Kritiker entscheiden. Bis zu drei Wochen kann die Prüfung dauern. Bis dahin wird Bundespräsident Joachim Gauck die beiden Gesetze nicht unterschreiben. Erst mit seiner Unterschrift wäre der ESM-Vertrag von deutscher Seite ratifiziert und könnte in Kraft treten.

Umstritten waren im Bundestag vor allem die Zugeständnisse, die Kanzlerin Angela Merkel Italien und Spanien beim Euro-Gipfel in der Nacht zum Freitag gemacht hat. So sollen Krisenländer den ESM künftig auch ohne allzu strenge Auflagen anzapfen können. Der Krisenfonds soll bei der Rückzahlung der Hilfen für spanische Banken nicht mehr bevorzugt behandelt werden. Außerdem soll es perspektivisch direkte Hilfen für marode Banken geben - dies hatte die Bundesregierung bislang strikt abgelehnt.

Merkels Kritiker bemängelten, der Vertragstext, über den am Freitag abgestimmt wurde, sei durch die Gipfelbeschlüsse schon wieder überholt. Aus Regierungskreisen hieß es jedoch, zum einen werde es direkte Bankenhilfen erst geben, wenn eine effiziente, europäische Bankenaufsicht etabliert sei - was mehrere Monate dauern werde. Und zum anderen werde dann der Bundestag erneut über den ESM-Vertrag abstimmen können.

Bosbach: "Krise lässt sich nicht durch mehr Schulden lösen"

Nicht alle Kritiker sind derweil überzeugt, dass die Klagen in Karlsruhe Erfolg haben könnten. Der CDU-Abgeordnete Wolfgang Bosbach sagte der "Passauer Neuen Presse", die Richter wüssten, welche politischen Auswirkungen ein striktes Nein zu Fiskalpakt und ESM hätte. "Deshalb gehe ich davon aus, dass allenfalls partiell Kritik geübt wird. Aber Fiskalpakt und ESM werden wohl nicht in Bausch und Bogen verworfen."

Bosbach sagte, die Währungsunion sei auf dem Weg in eine Haftungsunion. "Ich fürchte, es wird nur eine Frage der Zeit sein, wann aus dieser Haftungsunion auch eine Transferunion werden könnte", sagte Bosbach. "Das aber sollte die Euro-Zone niemals sein."

Er warne davor, die Probleme der EU mit immer größeren Rettungsschirmen lösen zu wollen. "Eine Schuldenkrise lässt sich nicht durch eine immer höhere Verschuldung lösen", sagte der CDU-Politiker.

cte/dpa/dapd