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Geld Reserven

So viel Bundesbank-Gold entfällt auf jeden Deutschen

Wieviel Gold auf jeden Staatsbürger entfällt Wieviel Gold auf jeden Staatsbürger entfällt
Wieviel Gold auf jeden Staatsbürger entfällt
Quelle: Infografik Die Welt
Deutschland verfügt nach den USA über die größten Goldbestände der Welt, pro Kopf haben nur die Schweizer mehr. Ökonomen preisen die Reserven als psychologischen Anker. Doch wie viel ist noch da?

Barbarisches Relikt – so nannte der von vielen als Jahrhundertökonom verehrte John Maynard Keynes schon Anfang der Zwanziger das Gold in den Tresoren der Notenbanken. Neun Jahrzehnte später gewinnt das gelbe Metall eine nicht für möglich gehaltene Bedeutung. Zumindest in Deutschland scheint sich derzeit alles um das Thema Gold zu drehen.

Über Nacht sind die Edelmetall-Reserven der Bundesbank, die zweitgrößten der Welt, zum Politikum geworden: Jahrelang wurde das Gold von der Öffentlichkeit kaum beachtet, jahrelang störte sich kaum jemand daran, dass der Großteil der Barren (mutmaßlich nicht katalogisiert) jenseits der Landesgrenzen lagert.

Ruf nach einer Rückführung des Goldes

Eine Phalanx aus Politikern, Ökonomen und Aktivisten fordert nun, dass der Verbleib des deutschen Staatsschatzes endlich überprüft wird. Nicht wenige wollen sogar, dass das in New York, London und Paris verwahrte Gold nach Hause gebracht wird.

Die Bundesbank hat reagiert: Sie werde bis zu 150 Tonnen des Metalls „zur Überprüfung“ von New York nach Frankfurt bringen lassen, ließ die Institution verlauten. Doch vielen geht das noch nicht weit genug. Sie verlangen, dass die Institution eine groß angelegte Inventur durchführt und möglichst alles Gold nach Deutschland holt.

Richard Nixon schloss das „Goldfenster“

Die Diskussion wirft die Frage auf, welche Funktion Edelmetall in unserer heutigen Währungsordnung überhaupt noch hat. „Prinzipiell benötigt eine Notenbank in einem Papiergeldsystem wie unserem überhaupt kein Kapital“, sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. So gesehen sei Gold tatsächlich ein Überbleibsel aus einer lange vergangenen Zeit, in der Geld einen Wert-Kern aus Edelmetall hatte.

In Deutschland war die Mark des Kaiserreichs von 1871 bis 1914 mit Gold unterlegt, später gab es eine kurze Renaissance des Gold-Standards zwischen dem Ende der Hyperinflation 1923 und dem Beginn der Dreißigerjahre. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die westdeutsche Währung nur indirekt über ihre Bindung an den US-Dollar im Rahmen des Bretton-Woods-Systems goldunterlegt. Das Bretton-Woods-System endete im August 1971, als US-Präsident Richard Nixon „das Goldfenster“ schloss, also die Einlösbarkeit der Welt-Leitwährung Dollar in Gold suspendierte.

Goldreserven ein Signal der Solidität

Auch wenn Gold im strengen Sinne nicht mehr notwendig ist, gestehen ihm viele Volkswirte doch eine wichtige Funktion zu. „Das eigentliche Kapital einer Notenbank ist heute ihre Glaubwürdigkeit“, sagt Krämer. Wenn diese Glaubwürdigkeit in Zweifel gerate, könne Gold durchaus wieder wichtig werden, denn solche Reserven seien ein Signal der Solidität. „Wenn die Währung in eine Krise gerät, hat eine Notenbank mit nennenswerten Goldbeständen eine Option mehr.“ Die Reserven könnten dann dazu genutzt werden, den Geldwert zu stabilisieren.

Ähnlich argumentiert der Präsident des Steuerzahlerbundes, Reiner Holznagel: „Wir haben gerade eine Währungskrise und wir wollen Sicherheit“, sagte er in einem Radio-Interview. Diese Sicherheit bietet Gold. „Insofern sollte man nachschauen, wie schnell die Bundesbank auf diese Währungsreserve zurückgreifen kann.“ Auch das deutsche Parlament müsse diese Information bekommen.

„Papierwährungen sind zum Scheitern verurteilt“

Der Autor und Ökonom Detlev Schlichter geht noch einen Schritt weiter: Für ihn sind die Gold-Reserven das potenzielle Fundament eines neuen Währungssystems, das unweigerlich kommen werde, wenn das jetzige Papiergeldsystem zusammengebrochen ist. „Papierwährungen wie der Euro oder der Dollar sind zum Scheitern verurteilt“, ist er überzeugt. Allerdings ist nur eine Minderheit der Volkswirte dieser Ansicht.

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Nachdenken über das Wesen unseres Geldes ist keine Beschäftigung obskurer Zirkel mehr. Selbst Bundesbank-Chef Jens Weidmann hat zuletzt bei verschiedenen Gelegenheiten auf die unweigerlichen Schwächen des Papiergeld-Systems hingewiesen: „Vertrauen ist die Voraussetzung einer stabilen Währung“, sagte er. Wenn sich die Menschen nicht mehr darauf verlassen könnten, dass ihr Geld auch morgen noch Geld ist und einen Wert hat, dann sei es schon passiert: Geld höre auf, Geld zu sein.

Deutschland hat Gold im Wert von 187 Milliarden Dollar

Auch Weidmann hob die Bedeutung hervor, die Gold in der Geschichte als Wertanker spielte: Das gelbe Metall sei „der zeitlose Klassiker in seiner Funktion als Tausch-, Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel.“

Für den Fall einer Währungsverschlechterung ist Deutschland so gut gerüstet wie kaum eine andere Nation: Die knapp 3400 Tonnen Bundesbank-Gold haben haben einen Marktwert von knapp 187 Milliarden Dollar. Das wird nur von den Reserven der Supermacht USA übertroffen, die 447 Milliarden Dollar wert sind.

41,1 Gramm Gold für jeden Bundesbürger

Auch auf die Bevölkerung gerechnet kann sich der deutsche Hort sehen lassen: Rechnerisch hat die Zentralbank pro Bundesbürger 41,1 Gramm in ihren Büchern stehen, was derzeit am Markt 2276 Dollar einbrächte. Nur die Schweiz ist gemessen an ihrer Bevölkerung goldreicher: Jeder Eidgenosse darf sich über die Schweizerische Nationalbank als Eigentümer von 131 Gramm des Edelmetalls fühlen – mit einem Marktwert von 7188 Dollar.

Gerade in der Bundesrepublik spielen die Goldreserven eine übergeordnete Rolle: 72 Prozent der gesamten deutschen Devisenreserven entfallen auf Gold. Devisenreserven sind für den Fall unerlässlich, dass eine Notenbank die eigene Währung an den Devisenmärkten stützen muss. Dafür sind fremde Valuten oder eben Edelmetall erforderlich, die die Institution nicht selber produzieren kann.

Hat die Bundesbank noch die Verfügungsgewalt?

Daher reagieren Kenner der Materie auch so empfindlich, wenn es um den Goldschatz der Bundesbank geht. Gäbe es das Gold nicht mehr, wäre das ein herber Schlag für die Glaubwürdigkeit der Währungspolitik. Verschwörungstheoretiker wollen schon lange wissen, dass die Federal Reserve das deutsche Edelmetall verliehen oder gar verkauft hat. Doch selbst wenn die Barren noch da sind, würde das nur so lange etwas nützen, wie die Bundesbank die Verfügungsgewalt hat.

Nicht nur in Deutschland ist Gold ein Thema bei Geldpolitikern und Bürgern. Viele Notenbanken von Schwellenländern bauen ihre Bestände systematisch aus, am stärksten zugekauft haben in den zurückliegenden zwölf Monaten die Türkei (plus 154 Prozent), Südkorea (plus 74 Prozent) und Russland (plus elf Pozent).

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Die Shopping-Tour der Emerging Markets hat dazu geführt, dass der Gold-Schatz aller Notenbanken weltweit von 29.938 Tonnen vor der Finanzkrise auf jetzt 31.448 Tonnen angewachsen ist. In der jetzigen Situation wäre vielleicht auch Keynes ein Edelmetall-Fan geworden. Schließlich stammt von ihm auch der Spruch: Wenn sich die Fakten ändern, ändere ich meine Meinung.

Verbinden Sie sich mit den "Welt"-Autoren auf Twitter. Daniel Eckert twittert vor allem zur Entwicklung von Euro, Dollar, Gold und Yuan. Holger Zschäpitz hat vor allem die weltweite Verschuldung der Staaten im Blick.

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